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30 Okt 2024

Da sind wir nun also…. Im Palau de Congresos in Palma. Tausendmal daran vorbeigefahren, während der Bauphase und danach in den jahrelangen Zeiten des Stillstands, des Nicht-genutzt-werdens. Später dann bei den zwangsläufigen Ampelstops zwischen Portixol und Can Pere Antoni.

Vor der Eröffnung hatte die Architektenkammer ihre Mitglieder zu einer Vorab-Besichtigung geladen, die Neugier der Kollegenschaft durfte befriedigt werden, ein guter Zeitpunkt also, um der Bevölkerung das sperrige Gebäude näherzubringen.

Architektur im Kontrast

Eine strenge Fassade mit mächtigen Vor- und Rücksprüngen ragt vor uns auf, mit gewaltigen Überhängen, die der Architekt Francisco Mangado eckig, fast widerstrebend gegen die Küstenpromenade in den Strassenraum vorschiebt. Nichts das sich lässig einfügt, aber was fügte sich hier schon ein?

Die Umgebung so vielfältig banal, angefangen vom sozialen Wohnungsbau der 60er Jahre im Hintergrund, die neuzeitliche Rendite-Architektur luxuriöser Eigentumswohnungen links vorne, bis zum ungeliebten GESA-Gebäude nebenan. Da wird jeder Bau, der sich absetzen will und soll zum Fanal, jede Idee moderner Komposition in Raum und Material gerät zum Statement.

So hat es wohl auch die Jury des internationalen Architekturwettbewerbes gesehen, die  Mangado den 1. Preis verlieh. Nach Fertigstellung des Kongresspalastes erhielt der Architekt dafür 2017 den Premio de la Arquitectura Española.

In der Eingangshalle des seitlich an den Komplex angeschlossenen Hotels findet die Begrüssung statt. Die Lobby müssen wir uns durch eine schmale Tür erobern, die einem Einfamilienhaus angemessen wäre.

Als Hotelgast habe ich sicher Schwierigkeiten, Gepäckstücke, die grösser sind als ein Aktenkoffer, in die Lobby zu befördern. Oder wird dem Gast schon draussen auf der Einfahrt auch das kleinste Gepäckstück entrissen, damit es mit den üblichen Rollwagen auf geheimnisvolle Weise, vielleicht durch unterirdische Gänge ins Gastzimmer gelangt?

Jugendliche Innenraumgestaltung der Bar

Hinter der Halle erweitert sich der Raum zu einer in hellem Holz und dezenten Farben gehaltenen Lounge und Frühstückszone mit vorgelagerter Terrasse, die sich nur schwer gegen den Verkehr auf der mehrspurigen Haupt-Einfallstrasse in die Stadt abgrenzen kann.

Damit werden wir auch schon wieder hinaus komplimentiert und unter den Überhang des Baukörpers an die westliche Ecke geführt, an den Haupteingang unter der sich fast agressiv gegen den Hafen vorschiebenden Spitze. Wir sind versucht, den Kopf einzuziehen, so niedrig erscheint die auskragende Decke.

Ein beklemmendes Gefühl, das sich dann im Innern auflösen soll, wo sich, aus dem eher dunklen Vorraum mit Garderobe und Nebenräumen tretend, unerwartet schmale, 3 bis 4 Geschoss hohe Bereiche öffnen. Zweifellos ein besonderer Effekt. Wird doch in der Architektur-Gestaltung der Kontrast zwischen niedrig und hoch, weit und eng, hell und dunkel häufig angewandt weil sensitiv stark erfahrbar. 

Doch die hier gewählten Dimensionierungen empfindet nicht jeder als angenehm. Vor allem, da sie noch durch die kontrastierenden Deckenflächen, Boden- und Wandbeläge gesteigert werden. Die Materialien insgesamt sind ein Thema, das in der Besuchergruppe schnell auftaucht und während des gesamten Rundgangs weiter erörtert wird.

Materialwahl, Art und Beschaffung

Die Aussenhaut des Palau zum Meer hin ist eine Stahlkonstruktion, deren zur Beschattung der Fensterflächen dienende tiefe Fassadennischen mit neuartigen Aluminiumplatten verkleidet sind. Aluminium als Grundmaterial eingeschmolzen, mit Keramik-Partikeln versetzt und wieder neu zu dünnen Platten verpresst.

Die Menge des durch die Vor- und Rücksprünge der Fassade benötigten Materials legt die Frage nahe, ob in heutiger Zeit, in der wir uns bewusst sind, wie die Herstellung bestimmter Produkte der Umwelt schadet und Bodenschätze in ungeahnter Geschwindigkeit vernichtet, ob der exzessive Gebrauch solcherart belasteten Materials noch angemessen ist. Wobei auch die Beschaffung ein Gesichtspunkt ist.

Die zweifellos in Farbe und Struktur interessante Wandbekleidung in den Foyers aus mit Nuten geripptem, dunkel-feurigem, original afrikanischem Hartholz hat im Budget letztlich ein so tiefes Loch gerissen, dass in der Endphase des Baus an anderer Stelle massiv eingespart werden musste. So endet z.B. der angenehme schlicht graue, grossformatige Steinbelag des Erdgeschosses an den Treppen zu den oberen Foyers.

Abrupt wechselt nun auf den Stufen das Material zu simplem Laminat in heller Holz-Optik, das auch in den oberen Geschossen beibehalten wird und sich dort in den Foyers mit dem afrikanischen Wandbelag heftige Schlachten um Aufmerksamkeit liefert. Vielleicht hätte sich ein dunkler Belag besser eingefügt, auch wenn er aufwendiger in der Pflege ist. Aber auch das ist eine Frage des Budgets, diesmal zum Unterhalt.

Man hätte sich gewünscht, dass die Verkleidung des Hoteltraktes und der nördlichen Fassade aus Piedra de Santanyí (Sandstein) auch im Innern, in den Foyers noch einmal auftaucht und so Bezüge zwischen innen und aussen herstellt, zwischen Funktion und Ort.

Durchgängiges Farb-/Material-Konzept

Schliesslich landen wir im grossen Kongressaal. Die Bestuhlung in anthrazitgrau passt zum Farbkonzept des Erdgeschosses, alle notwendige Technik ist perfekt in die Rückenlehnen integriert.

Die Beleuchtung abwechslungsreich, jedoch aufwendig durch indirekte Wandbeleuchtung aus verkanteten Schlitzen, die keinen nennenswerten Effekt haben und die der gewöhnliche Besucher gar nicht erst bemerken dürfte, aber zweifellos die Detailfreudigkeit des Architekten an dieser Stelle belegen. Ein kleinerer Teil der frontal ausgerichteten Ränge ist aus der Achse gedreht um bessere Sichtverhältnisse zu schaffen.

Ein Teil des obersten Ranges kann mittels einer aufwendigen Technik, wie z.B. einem ausfahrbaren Boden im vorderen Bereich und vertikaler Abschottung zum grossen Saal hin in einen separaten Vortragssaal verwandelt werden. Ob sich diese Investition auszahlt, muss sich zeigen, da die Sichtverhältnisse dann auf diesen kleinen Raum bezogen, nicht günstig erscheinen.

Ausblicke aufs Meer

Anschliessend wandern wir durch die obersten Foyers, die sich sehr geschickt mittels variabler Zwischenwände in einzelne Sitzungs- oder Festräume teilen lassen und einen eigenen Küchen- und Service-Bereich haben. Auch hier wieder weisse Wände und der Laminat-Boden mit seinem eigentümlichen, unangenehm klackernden Sound beim Betreten.

Die Terrasse

Und landen dann auf der Terrasse, dem Highlight – übrigens mit überzeugender Ganzglasbrüstung -, die heute gerade zu einem outdoor-event vorbereitet wird. Die Stehtische sind schon auf dem schönen Holzdeck verteilt und mit ihren unabdingbaren weissen Kleidern versehen. Das Personal putzt Glas und Porzellan vor der einmaligen Kulisse der Küste beim Strand Ca‘n Pere Antoni, dem Lieblingsstrand des amtierenden Königs und seiner Familie. Schon allein diese Nähe, die Sicht auf diesen Küstenabschnitt dürfte in den Medien und der Vermarktung einiges Gewicht haben.

Kleine Details

Beim Verlassen des Gebäudes fällt mir ein Fassadendetail auf, das, wie ich denke, nur von einem männlichen Architekten stammen kann.

Der Zynismus sei mir verziehen, aber wie in aller Welt soll eine Putzfrau an diesem Platz korrekt ihre Arbeit tun? Wo Wind und Wetter alles Verfügbare, einschliesslich Sand, Zigarettenkippen und Papierfetzen in einen zwanzig Zentimeter schmalen Zwischenraum zwischen äusserer Stein- und innerer Glasfassade hineinwehen und die Scheiben vom Salzgehalt der Luft allein eintrüben…. Aber vielleicht gibt es dafür auch noch eine (kostspielige) Lösung.

Wo ein Bedarf besteht, kann sich die Industrie ja etwas einfallen lassen.  

Artikel & Alle Fotos: Angelika Hermichen